Wer in einer Gegend wohnt, in der der Winter regelmäßig mit Schnee verbunden ist, hat oft eine klare Voraussetzung für sein Auto: Allradantrieb ist Pflicht. Denn mit vier angetrieben Rädern kommt man auf rutschigem Untergrund einfach sicherer und müheloser voran. Doch: Allrad ist nicht gleich Allrad. Inzwischen haben fast alle Hersteller Modelle mit Allradantrieb im Angebot, die sich aber in der technischen Umsetzung teilweise deutlich unterscheiden. Viele Systeme, wie zum Beispiel das 4Motion-System, das im VW Tiguan zum Einsatz kommt, legen den Fokus auf effizientes Fahren unter normalen Bedingungen. So wird in der Regel nur die Vorderachse angetrieben. Erst wenn das System erkennt, dass die Traktion damit nicht ausreicht, wird über eine Kupplung die Hinterachse zugeschaltet. Der Vorteil: Im Alltag verursacht das System kaum Mehrverbrauch. Auf rutschigem Untergrund oder gar im Geländeeinsatz - braucht das System aber stets etwas Zeit, bevor es auf die Gegebenheiten reagieren kann. Zudem können damit nur maximal 50 Prozent der Kraft an die Hinterachse geleitet werden.
Eine andere Philosophie verfolgt beispielsweise Subaru. Hier kommt bei Modellen mit Verbrennungsmotor stets ein permanenter Allradantrieb zum Einsatz, der die Antriebsräder in jeder Situation mit derselben Kraft versorgt. Das bringt ein sehr vorhersehbares und gleichmäßiges Fahrverhalten, was gerade bei Schnee und Eis ein Vorteil sein kann.


Richtig verteilt
Ein physikalisches Problem haben alle Allradsysteme zu lösen: Se müssen flexibel sein. Denn im Fahrbetrieb auf festem Untergrund brauchen die Räder eine gewisse Freiheit. Das kurveninnere Rad einer Achse dreht sich beispielsweise langsamer als das äussere. Um dies auszugleichen, kommen Differenziale zum Einsatz, sodass Verspannungen im Antriebsstrang vermieden werden. Diese sorgen auf rutschiger Strasse oder im Gelände allerdings für einen bedeutenden Nachteil: Die Kraft des Antriebs landet so immer bei dem Rad mit dem geringsten Widerstand. Um dies auszugleichen, kommen in den meisten Fahrzeugen elektronische Systeme zum Einsatz, welche über gezielte Bremseingriffe für den benötigten Widerstand sorgen, sodass die Kraft da ankommt, wo sie gebraucht wird. In einigen Fahrzeugen, vor allem in spezialisierten Geländewagen, kommen dafür aber auch selbstsperrende oder aktive Differenziale oder mechanisch zu betätigende Sperren zum Einsatz. Diese müssen aber beim Fahren auf festem Untergrund auf jeden Fall deaktiviert werden, um Schäden zu vermeiden.
Neue Möglichkeiten
Mit elektrischen Antrieben bieten sich auch in Sachen Allradantrieb ganz neue Möglichkeiten. Beim neuen eVitara von Suzuki ist natürlich, wie auch bei den Verbrennerversionen, ein 4×4 zu haben. Dieser setzt aber nicht auf eine mechanische Kraftverteilung, sondern auf zusätzliche Kraft: Wie bei den meisten elektrischen Allradsystemen kommen hier zwei E-Motoren zum Einsatz – einer pro Achse. So können sich die beiden Achsen unabhängig voneinander um Vortrieb kümmern, es besteht also keine Gefahr von Verspannungen im Antriebsstrang.
Je nach System kann bei einem elektrischen Allrad auch eine Achse zeitweise abgekoppelt werden, um den Verbrauch zu reduzieren. Auch die Kraftverteilung zwischen den beiden Achsen kann je nach Fahrsituation flexibler gesteuert werden. Damit kann das Fahrverhalten auf trockener, nasser oder vereister Straße deutlich verbessert werden. Den Möglichkeiten sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Als Beispiel ist hier die G-Klasse von Mercedes zu nennen. Die Variante mit Elektroantrieb verfügt nämlich über gleich vier E-Motoren, wobei jeder nur ein Rad antreibt. So kann jedes Rad präzise und unabhängig angesteuert werden und im extremen Geländeeinsatz immer die maximal mögliche Kraft übertragen. Für den Alltag auf verschneiten Straßen ist das aber höchst selten nötig - genauso wie die Möglichkeit, das Auto wie ein Kettenfahrzeug auf der Stelle zu wenden.
Eines kann aber auch beste Allradtechnik nicht ersetzen: gute Winterreifen und etwas Köpfchen am Steuer. Denn beim Bremsen bietet der Allrad keinen Vorteil. Philipp Aeberli